22.August 2014
Meine persönliche Bibel-Geschichte…
Gestern, am 22. August 2014 , musste ich völlig unvorbereitet ,von meinem treuen Wegbegleiter nach 20 Jahren in einer recht dramatischen Rettungsaktion, Abschied nehmen. Mareh, mein 22 jähriger Araberhengst, der nie in seinem Leben krank war , musste aufgrund eines Darmverschlusses eingeschläfert werden. Mareh war in jeder Hinsicht ein Ausnahmehengst Trotz seines Hengstseins war er in all den Jahren immer ein ganz lieber Kerl. Er war immer freundlich, hat niemals gebissen, geschlagen oder in irgendeiner anderen Weise seinen Unmut gezeigt. Im Gegenteil- er trug mich 20 Jahre mit Eifer und Vertrauen auf seinem Rücken, war immer äußerst kooperativ und loyal. Im Gegenzug war in all`den Jahren mein persönliches Bestreben, dass er artgerecht und naturnah gehalten wird. Er liebte seinen Offenstall , 17 Jahre seinen Esel-Kumpel Joshua und in den letzten zwei Jahren seine junge Frau Saphira, mit der er ja noch im Alter von 20 Jahren eine Tochter zeugte , unsere Bella Vita, die nun 9 Monate jung ist.
Mareh war ein zufriedenes Pferd- davon bin ich überzeugt- vielleicht war er sogar ein glückliches Pferd.
Unser Verhältnis war geprägt von gegenseitigem Respekt und all die Jahre gab es niemals Zweifel daran, dass wir zusammen alt werden würden…
Doch warum habe ich die Überschrift gewählt? Warum war der gestrige Tag für mich ein Lehrstück, wie es die Bibel so oft wiedergibt?
Als ich gestern Morgen, um 05 Uhr 30, die Gummistiefel anzog , um gemeinsam mit meinen Hunden die Pferde in den Paddock zu rufen, um ihnen die morgendliche Ration Hafer zu füttern, da ertönte gleich beim Verlassen des Hauses ein sehr erregtes , lautes Wiehern meines Hengstes und ich wusste gleich, dass etwas passiert sein musste . Ich vermutete aber eher, dass mit unserer Stute oder deren Fohlen irgendetwas nicht stimmte…
Doch alle Drei standen an ihren Trögen wie immer… Ich füttere immer zuerst die Stute, dann das Fohlen und abschließend den Hengst.
Doch Mareh schaute nur kurz in seinen Trog und wandte sich dann ab und wieherte mich an. Ich wusste sogleich, dass etwas nicht stimmte und befühlte seinen Bauch, der sehr hart war.
Dass etwas mit ihm nicht in Ordnung war, war offensichtlich . Er schien große Schmerzen zu haben . Ich rief meine Tierärztin an, die versprach , so schnell wie möglich zu kommen .
Als sie kam, erkannte auch sie sofort, dass es dem Pferd schon sehr schlecht ging und verabreichte in hoher Dosierung entkrampfende und schmerzlindernde Medikamente , um ihn anschließend rektal untersuchen zu können.
Mareh stöhnte laut vor Schmerzen und die Tierärztin machte ein sehr ernstes Gesicht und fragte mich , ob ich die OP –Erlaubnis erteilen würde. Ich war erschrocken, dass es so ernst war und bejahte die Frage.
Sie stellte noch mehrere Untersuchungen an und bat mich darum, dass ich mich um den Transport des Pferdes in die nahegelegene Tierklinik bemühen sollte- wir hätten keine Zeit mehr zu verlieren.
Ich musste mich innerlich zur Ruhe aufrufen, was mir aber nicht so recht gelingen wollte, da mir der Ernst der Lage schlagartig bewusst wurde…
Ich musste nun einen Hänger besorgen- einen PKW mit Anhängerkupplung hatte ich . Mit der wachsenden Panik fiel es mir schwer, mich zu konzentrieren. Doch ich war erleichtert, als mir eine befreundete Nachbarsfamilie einfiel , deren Tochter mit unserer Tochter gerade vier Jahre auf der Grundschule zusammen verbracht hatte und wir uns oft über Hunde , Pferde und Co ausgetauscht hatten. Selbst den Geburtstag des Hausherren hatte ich mitgefeiert. … I ch war überzeugt, dass man mir dort den Hänger ausleihen würde .
Ich rief dort an und der Herr des Hauses meldete sich . Ich sagte ihm kurzum, dass es meinem Pferd sehr schlecht ginge und es dringend in die Tierklinilk nach Telgte müsse. …
Doch zu meinem Entsetzen sagte er ganz gesetzt, dass sie grundsätzlich den Hänger nicht verleihen würden. … Aber ich brauchte doch einen Hänger und fragte nach seiner Frau , die das letzte Wort über den Hänger hätte, wie er sagte. Er gab mir die Handy-Nummer, nahm mir aber sogleich die Hoffnung, indem er bemerkte, dass seine Frau in einer Besprechung sei und das Handy ausgeschaltet wäre.
Ich „bedankte“ mich … und legte auf. Ich überlegte erneut und mir fiel ein weiterer Nachbar ein, der auch Pferde hielt und den ich vom Sehen her kannte und schon das ein oder andere Wort gewechselt hatte. Währenddessen schrie mein Pferd auf dem Hof vor Schmerzen…
Das Telefon klingelte und derjenige , der mich gerade versetzt hatte , war am Telefon… Er hätte gerade überlegt und ich solle es doch bei meinem Nachbarn Schulze….. versuchen. Ich erwiderte, dass ich den gleichen Gedanken hätte und versuchte nun mein Glück beim anderen Nachbarn—doch dort nahm niemand ab.
Dann fiel mir der ansässige Schäfer ein , der auch einige Pferde hatte und über einen alten Pferdehänger verfügte. Doch ich wusste den Hausnamen nicht und versuchte durch zwei weitere Anrufe , den Namen des Schäfers zu erfahren. … Der Tierarzt hatte mittlerweile seine Behandlung abgebrochen und hatte mein Kommen in der Tierklinik als Notfall bereits gemeldet….
Ich verlor nun keine Zeit , setzte mich zunehmend panisch in `s Auto und fuhr auf direktem Wege zu dem Schäfer nach Hause.
Das Haus schien recht verlassen—doch die Frau des Schäfers öffnete mir die Tür. Wir kannten uns nicht , ich nannte meinen Namen, meine Anschrift und dass ich Ihren Mann vom „Sehen „ her kennen würde.. Ich schilderte ihr meine Notlage und bat sie um den Hänger. Die Frau ließ mich sogleich in`s Haus, wir gingen auf den Hof und sie zeigte auf den Hänger und sagte: „ Nehmen Sie den Hänger und bringen Sie das arme Pferd in die Klinik. Ich wünsche Ihnen , dass das Pferd es schafft!“
In dem Moment hätte ich die Frau umarmen können … ich bedankte mich tausendmal und gab ihr noch meinen Ausweis und 50 Euro . Beides wollte sie nicht , spannte den Hänger an und fuhr nach Hause.
Ich verlud mein Pferd und fuhr in die 14 km entfernte Klinik. Dort erwartete man uns schon und ich glaubte, dass nun doch noch alles gut werden würde….
Doch schon nach den ersten Untersuchungsergebnissen stand fest, dass das Pferd eine Operation aufgrund seines am Boden liegenden Kreislaufs und der miserablen Blutwerte nicht überleben würde…
Noch bevor die behandelnden Tierärzte es aussprachen, wusste ich , dass es keine Rettung für Mareh geben würde.
Mareh wurde kurze Zeit später in meinem Beisein von seinen Qualen erlöst…Es ist das erste Mal , dass ich das miterleben musste und ich muss gestehen, dass ich Rotz und Wasser geheult habe, so ergreifend und schmerzlich ist es, wenn so ein irrsinnig großes und starkes Tier, das sich sein ganzes Leben gerne dem Menschen untergeordnet hat , plötzlich gehen muss.
Wir sind tieftraurig aber auch unendlich dankbar, dass wir die Zuneigung diese Pferdes 20 lange Jahre lang spüren durften.
Gleichzeitig mussten wir aber auch die schmerzliche Erfahrung machen , dass sich sogenannte „gute Bekannte „ , die man mit Handschlag oder auch Umarmung begrüßt, in der Not von Dir abwenden und sich selbst am nächsten sind…
Andererseits aber gibt es Menschen , die selbst nicht viel , dafür aber ein offenes Herz für die Not anderer Mitmenschen haben und ohne zu hinterfragen ihr eigenes Interesse hintenanstellen und Ihre Hilfe anbieten.
Ich ziehe vor dieser Schäfersfamilie meinen Hut und bin dankbar für diese mitmenschliche Erfahrung.
Andreas Wemhoff
Liebe Freunde, liebe Besucher,
für die zahlreichen Trostpflaster in Wort und Schrift möchten wir uns an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Es tut gut zu wissen, dass es doch sehr viele Menschen gibt, die ähnlich denken und fühlen und uns auf vielfältige Weise ihr Mitgefühl ausgesprochen haben .
Heute haben wir eine ganz besondere Mail erhalten und darin zitiert die Schreiberin ihre Großmutter unter anderem wie folgt:
"Kind, Freunde findet man immer in der Not, niemals in guten Zeiten- da braucht man sie nämlich nicht!"
Ich finde, dass dem nichts hinzuzufügen ist.
25.September 2014
Qui sine peccato est, primus lapidem mittat.“ (Joh. 6, 7)